Eins meiner Zeitschriftenabonnements läuft in diesen Tagen aus. Nach diversen Erinnerungsbriefen des Verlags und einem speziellen Erinnerungsumschlag, der um das letzte meiner bezahlten Magazine geheftet war, lag heute ein Brief im Briefkasten, der mich zur flinken Verlängerung angetrieben hat. Warum?

Wer auf diesen letzten “Bitte verlängern!”-Aufruf innerhalb von zehn Tagen reagiert, erhält neben einem Jahresabo mit einem erneut reduzierten Preis von jetzt 20 statt den bisher angebotenen 24,97 Dollar noch ein zweites, kostenloses Jahresabo für einen Freund/eine Freundin sowie ein Buch dazu, das sonst 15 Dollar kostet. Der Kioskpreis für zwölf Zeitschriften beträgt übrigens 48 Dollar pro Jahr.

Da soll noch jemand sagen, dass sich Geduld nicht auszahlt.

Nachtrag: Einen Tag später bekomme ich eine weitere Ausgabe per Post. Diesmal die wirklich letzte, so der Schutzumschlag. Mit einem noch günstigeren Angebot: 14,97 Dollar für zwölf Exemplare. Tja. Andererseits ohne das Freundschaftsabo und ohne das Buch. Von daher tun mir die fünf Dollar und drei Cent, die ich mehr gezahlt habe, nicht ganz so weh.

Wie immer gut: Ein neuer Kommentar von Henryk M. Broder, diesmal zum Hitler-Wahn. Herrliches Zitat:

Gibt man bei google.de “Hitler” als Suchbegriff ein, bekommt man 584.000 deutschsprachige Einträge angezeigt. Das ist viel weniger als im Falle Konrad Adenauers (3.090.000 Seiten), aber fünfmal mehr als bei Erich von Däniken (117.000 Seiten). Stalin kommt auf 1.270.000 Seiten.

Auch Hitlers Beitrag zur Geschichte ist, sachlich betrachtet, eher bescheiden: ein Buch und zwölf Jahre Kanzlerschaft. Däniken hat mehr geschrieben, Adenauer hat länger regiert, und Stalin hat mehr Menschen umbringen lassen.

Lesen!

Im letzten Monat analysierte ich an dieser Stelle die aktuelle Lage der Medien- und Printbranche. Viele Leser fühlten sich angesprochen, das Geschriebene gut und teilweise erstaunlich lang zu kommentieren.

Im San Francisco Chronicle Magazine fand ich unlängst ein thematisch passendes Feature über William Langewiesche. Langewiesche ist internationaler Korrespondent der Vanity Fair und war davor lange Zeit Autor für die Atlantic Monthly. Ein kleiner Auszug aus dem lesenswerten Artikel:

Magazines, in Langewiesche’s opinion, are great beasts that have to be fed, constantly. If they’re not fed they die, and so they’re desperate for material. But they’re usually fed poorly. And people who say that the golden age is in the past are simply making excuses for their inability to write or publish high-quality journalism.

“You have this precious, incredibly privileged thing,” he said, “which is the reader’s attention for a little while. And you can make the slightest misstep and the reader will put you down. People will say that the reader lives in a busy world. But that’s not the reason why. The reason is that the writer blows it, and loses the reader’s trust.”

Bevor sich jemand angegriffen fühlt: Langewiesches Aussagen beziehen sich auf die komplette Magazinlandschaft und nicht auf nur einen Teil. Und sicher verfügen nicht alle Autoren über den Luxus, für eine Geschichte mehrere Wochen am Stück an entlegenen Stellen der Erde zu recherchieren.

Die Medienbranche klagt schon lange über sinkenden Verkaufs- und Zuschauerzahlen. Schuld sind das Internet, Videospiele und natürlich auch gesteigerter Handykonsum. Die Print- beziehungsweise Zeitschriftenbranche, in der ich seit 1993 unterwegs bin, klagt besonders stark. Kein Wunder, denn wenn man sich die Auflagenzahlen ansieht, etwa bei PZ Online, gibt es dramatische Einbrüche, die auch im letzten Jahr dafür gesorgt haben, dass zahlreichen Magazinen die letzte Ölung verpasst wurde.

Solche Tendenzen bekomme ich hier im Außenposten San Francisco hautnah mit: Erst wurde ich einen Verlag zu teuer, dann einem weiteren. Nun lebe ich hier bei weitem nicht in Saus und Braus, auf eine schwarze Null zu kommen ist seit Mitte 2004 mein monatliches Bestreben – die fragwürdige Langzeitperspektive dieses Unterfangens lassen wir mal außen vor. Bizarr ist jedoch: Wundere ich mich vorsichtig darüber, dass ich 1993 ein höheres Seitenhonorar als heute bekommen habe, die Inflation in den letzten 15 Jahren leider keine Pause gemacht hat und meine Branchenerfahrung und -kontakte tendenziell gestiegen sind, gibt’s als recht nonchalante Antwort, dass es heute nun mal weniger Budget und mehr als genug freie Mitarbeiter gebe, die ihre Seiten günstiger produzieren können.

Dieses Vorgehen erinnert mich fatal an die Verhältnisse in manchen Spielefirmen, die ihren Mitarbeitern sagen: Ihr wollt mehr Geld? Bezahlte Überstunden? Mehr Freizeit? Tja, schade, gibt’s alles nicht – und wenn ihr kündigen wollt, nur zu. Es stehen ja genug Uni-Absolventen Schlange, die sich die Finger nach euren Jobs lecken. Hier vergessen die Arbeitgeber allerdings eines: Mitarbeiter, die schon lange Jahre im Geschäft sind, haben Erfahrung. Und Kontakte. Und sind nicht so schnell aus der Fassung zu bringen wie ein Neueinsteiger.

Um auf die Medienbranche zurückzukommen: Wundert es jemanden, dass – abgesehen von wenigen Ausnahmen – Artikel und Berichte immer flacher, floskelbeladener und austauschbarer werden? Und dass es womöglich sogar einen Zusammenhang zwischen sinkenden Auflagenzahlen und der Tatsache gibt, dass manche Seiten gegen lachhafte Entlohnung von Studenten zusammengeschustert werden, die noch daheim bei Muttern wohnen und sich über eine Handvoll Euro für ein paar Biere und ein kostenloses Spiel freuen?

Ich bin verwundert, dass solche Themen auf Strategiemeetings der Heeresleitungen nie angesprochen werden. Denn was den Inhalt angeht, so ist das Internet in der Tat oft mit deutlich besserer Qualität zur Stelle – und das kostenlos. Da sollte man mindestens mithalten wollen, geschweige denn etwas besseres abliefern.

Vielleicht sehe ich das alles auch nur zu idealistisch und die aktuellen Entwicklungen sind schon die letzten Zuckungen der Printbranche. Schade wäre das.

Auf dem Rückflug nach San Francisco dann auch noch “Millionär”, das dritte Buch von Tommy Jaud gelesen. Wie es war? Sagen wir so: Es gibt einen Grund dafür, dass die einleitenden Monologe in Late-Night-Talkshows nur ein paar Minuten lang sind. Beziehungsweise dass in Comedy-Serien nicht alle Witze einer gesamten Staffel in nur einer Folge gemacht werden.

Gut die Hälfte des Buches passiert nämlich gar nichts. Wir bekommen mit, was die larmoyante, unsympathische Hauptfigur Simon Peters tagaus, tagein so treibt. Sicher, es zieht eine neue, dumpfe Nachbarin über ihm ein, gegen die er einen Kleinkrieg zu führen beginnt. Doch diese Spargeschichte reicht bei weitem nicht aus, die “Hach, was sind wir aktuell und nennen am laufenden Meter Trends, Hits, Personen und Marken des Tagesgeschehens”-Schreibweise mit Leben zu füllen. Das wird mit den Jahren sicher nicht besser werden – mich nervte die Aufzählerei noch im Veröffentlichungsjahr des Buches. Auch die handelnden Personen werden bis auf zwei, drei Ausnahmen furchtbar blutarm beschrieben, wenn überhaupt.

Etwa ab Seite 200 von 300 steigert sich der Lesespaß dann doch noch: Die Hauptgeschichte nimmt ihren bizarr-unterhaltsamen Lauf, um sogar mit einem halbwegs sinnvollen Ende zu schließen – besser gelöst als in den beiden Vorgängerromanen. Dennoch bleibt “Resturlaub” das beste Buch Tommy Jauds, der Story wegen. Hoffentlich besinnt sich Jaud in seinem nächsten Werk darauf, dass er es eigentlich gar nicht nötig hat, so viel Gegenwartsbeobachtungen in seine Zeilen zu packen und steckt stattdessen etwas mehr Arbeit in die eigentliche Geschichte und die Personen. Schreiben kann er ja eigentlich schon.

Unlängst während eines zweistündigen Fluges “Resturlaub” von Tommy Jaud gelesen. Beim Vorgänger “Vollidiot” war ich nur mühsam in die Gänge gekommen, zu gekünstelt und gewollt kam mir die “coole Sprache, so wie man spricht” auf den ersten paar Seiten vor. Das macht der Nachfolger besser, das Buch startet so sprachlich gut, wie das erste aufhörte. Vielleicht habe ich mich auch nur an Jauds Stil gewöhnt.

Inhaltlich geht es rasant zur Sache: Peter Greulich aus Bamberg hat keinen Lust auf Einfamilienhaus-Idylle in der Vorstadt, seine Freunde sind extrem schluffig und bremsen eine perfekt geplante Geburtstagsfeier in der Nachbarstadt knallhart aus – sie hängen lieber in ihrer Stammkneipe ab. Auf den elften Mallorca-Urlaub mit eben diesen Freunden hat Peter verständlicherweise keine Lust mehr und landet nach einer haarsträubenden Verkettung von Ereignissen in Argentinien. Hier erlebt er mal mehr, mal weniger schräge Abenteuer, die in einer wahnwitzigen Situation in einem Club gipfelt und Peter folgenden Kommentar entlockt:

Ich bin in Buenos Aires, nachweislich ziemlich groß und ziemlich weit weg!
Ich bin in coolen Clubs unterwegs mit schicken Leuten!
Ich habe sensationellen Sex mit einem echten Modell!
Ich hab womöglich bald einen Job hier!
Ich hab sogar Drogen in der Hand!

An dieser Stelle kippt das Buch und trudelt in ein ähnlich enttäuschendes, unglaubwürdiges Ende wie schon “Vollidiot” ab. Warum Peter mit einem Mal die so glaubhaft geschilderte Abneigung gegen das tägliche Einerlei spannend findet und sogar über das Haus im Grünen nachdenkt, kann sich mir nicht erschließen. Mit ein paar Wochen Abstand kommt es mir sogar vor, als seien “Vollidiot” und “Resturlaub” irgendwie das gleiche Buch. Nur mit ein paar geänderten Schauplätzen und Personen.

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